Es ist eines der Mammut-Themen unserer Zeit: Im Zuge der angestrebten Energiewende sollen bis zum Jahr 2030 erneuerbare Energien mindestens 80 Prozent des deutschen Stromverbrauchs decken. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2023 lag ihr Anteil bei rund 52 Prozent1. Einen wesentlichen Beitrag zum Ausbau Erneuerbarer Energien können Photovoltaik-Anlagen auf bislang ungenutzten Dachflächen von Logistikimmobilien leisten. Nach Zahlen des Bundesverbands Logistik sind in den Jahren 2012 bis 2022 rund 30 Millionen Quadratmeter Dachfläche auf deutschen Logistikimmobilien entstanden, die sich zur Installation von Photovoltaik-Anlagen2 eignen.
Doch wer sich Gewerbe- und Industriegebiete von oben anschaut, wird sehen, dass nur ein kleiner Teil der Gebäude mit Solar-Modulen bestückt ist. Das ist nicht etwa dem Unwillen der Eigentümer geschuldet. Es sind vielschichtige Probleme und Unsicherheiten, die die Investitionen ausbremsen.
Die Krux mit Recht und Steuern
Oft befinden sich Logistikhallen im Besitz von Immobilienfonds, die zwar ihren Beitrag zur Energiewende leisten wollen, sich aber schon im Vorfeld der Errichtung und Inbetriebnahme mit sehr komplexen Fragestellungen konfrontiert sehen. Die Bundesregierung hat diverse Hemmnisse im deutschen Rechts- und Steuersystem erkannt und dreht derzeit an mehreren Stellschrauben.
Gastbeitrag
von Nicolai Soltau,
Head of Fund Management Logistics DACH bei der Augsburger Patrizia S.E., einem Partner für weltweite Investments in Immobilien und Infrastruktur
Das betrifft etwa die Anlagerichtlinien für offene Immobilienfonds. Es wird erwartet, dass mit dem Jahressteuergesetz 2024 rechtssichere Regelungen zum Betrieb von Aufdachanlagen geschaffen werden3. Zudem soll es im Rahmen des Wachstumschancengesetzes steuerrechtliche Anpassungen für Spezial-Investmentfonds geben. Die Grenze für Einnahmen aus dem Betrieb von Aufdachanlagen und Ladestationen soll auf 20Prozent verdoppelt werden. Das kann für große Solaranlagen auf Dächern von Logistikimmobilien allerdings zu wenig sein. Für Spezial-Investmentfonds ist somit das Risiko, durch zu hohe entsprechende Einnahmen ihren steuerlichen Sonderstatus zu verlieren, nicht gebannt4. Wir wünschen uns, dass die aufsichtsrechtlichen und investmentsteuerlichen Vorgaben den gewerbesteuerlichen Regelungen angeglichen werden, um auch deutschen Investmentvermögen einen nachhaltigen Betrieb von Solaranlagen zu ermöglichen und so einen Standortnachteil gegenüber Luxemburger Fonds abzubauen.
Um Unwägbarkeiten zu vermeiden, ist es derzeit gängige Praxis, dass Fondsverwalter die Dachfläche der Logistikhallen verpachten, sei es etwa an einen Großmieter, der die Photovoltaik-Anlage betreibt und den Solarstrom selbst verbraucht (Eigenverbrauch), oder an einen Betreiber, der den Strom an Endabnehmer verkauft (gewerblicher Mieterstrom) oder ins öffentliche Netz einspeist.
Wie eine solche Zusammenarbeit konkret aussehen kann, zeigt ein von uns in Rotterdam realisiertes Projekt. Dort hat der Solarentwickler Sunrock die größte Photovoltaik-Aufdachanlage in unserem Portfolio installiert – sie misst 120.000 Quadratmeter, verfügt über eine Kapazität von 25 Megawattpeak und deckt den jährlichen Energiebedarf von etwa 8.000 Haushalten. Mitte des vergangenen Jahres ist sie ans Netz gegangen.
Nicht jedes Dach ist für den Aufbau geeignet
Moderne Logistikgebäude mit Photovoltaik-Anlagen auszurüsten, stellt zumindest aus statischer Betrachtung selten ein Problem dar. Ältere Bestandsgebäude haben hingegen oft angesichts zulässiger Dachlasten ein Defizit. Gleichzeitig gewinnen vor dem Hintergrund des Klimawandels mancherorts erhöhte Wind- und Schneelasten an Bedeutung. Ist der Aufbau einer klassischen Anlage nicht möglich, ist allerdings Abhilfe in Sicht: Forscher entwickeln zurzeit Solarfolien. Diese könnten nicht nur an den Dächern, sondern auch an den Wänden angebracht werden.
Unsicherheiten bei der Netzeinspeisung
Eine weitere Problematik, der sich Investoren und Betreiber im Rahmen der Planung einer Photovoltaik-Anlage bewusst sein sollten, ist die begrenzte Netzanschlusskapazität. Der Netzbetreiber ist zwar verpflichtet, einen Anschluss herzustellen, doch angesichts des zunehmenden Ausbaus von Solaranlagen nimmt der Wettbewerb um die Verknüpfungspunkte zu. Das kann zur Folge haben, dass dem Anlagenbetreiber ein weiter entfernter Punkt zugewiesen wird oder der Netzbetreiber zunächst größere Maßnahmen umsetzen muss, um einen Anschluss bereitzustellen.
Trotz aller Widrigkeiten, die sich dem flächendeckenden Ausbau von Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern von Logistikimmobilien entgegenstellen, gibt es doch mittelfristig keinen Weg daran vorbei. Der flächendeckende Ausbau ist ein unverzichtbarer Schritt in Richtung einer nachhaltigen Energiezukunft. Dies wird nicht nur zum Umweltschutz beitragen, sondern auch wirtschaftliche und gesellschaftliche Vorteile mit sich bringen. Der Schutz des Klimas steht oben auf der Agenda, aber es gibt noch weitere Gründe, die dafürsprechen, dass sich der Trend in den nächsten Jahren forciert.
Nachhaltigkeit bestimmt die Investments
Die Zeit läuft: Bis 2050 möchte die EU klimaneutral werden. Vor diesem Hintergrund hat sie auch der Immobilienbranche weitreichende Aufgaben zugewiesen. Entwickler wie Eigentümer arbeiten intensiv daran, Gebäude aller Art nachhaltiger zu gestalten. Fondsmanager stellen die Portfolios verstärkt der EU-Taxonomie entsprechend zusammen. Sowohl Anleger als auch Finanzierer setzen diesbezüglich höhere Maßstäbe an. Zudem punkten ökologisch durchdachte Immobilien bei kommunalen Entscheidern, die zunehmend eine nachhaltige Entwicklung ihrer Städte und Regionen verfolgen. Von einer Aufwertung der Logistikimmobilie durch eine Photovoltaik-Anlage profitieren aber nicht nur ihre Eigentümer, sondern auch die Nutzer, die ebenfalls immer stärker darauf achten, ihren ökologischen Fußabdruck zu verbessern.
Aufdach-Solaranlagen trumpfen mit mehreren Vorteilen
Wer die Dachfläche seines Gebäudes mit Photovoltaik-Modulen ausrüstet, handelt aus ökologischer Sicht besonders sinnvoll. Denn mit der Installation wird im Gegensatz zu Freiflächenanlagen kein zusätzlicher Grund und Boden versiegelt. Hinzukommt, dass Solar-Panels recht günstig zu erwerben sind. Darüber hinaus wirkt die Photovoltaik-Anlage über das Gebäude hinweg. Die Lieferung des Ökostroms an umliegende Stromabnehmer befördert zusammen mit dem wichtigen Versorgungsauftrag der Logistik einen Imagewandel der „Big Boxes“ in der öffentlichen Wahrnehmung.
Die öffentliche Infrastruktur wird entlastet
Gerade in Logistikgebäuden sind die Nutzer rund um die Uhr aktiv. Zudem verfügen sie oftmals über einen zunehmend großen Fuhrpark an E-Fahrzeugen. Dank immer effizienterer und intelligenterer Speicherlösungen wird es leichter gelingen, ihnen grünen Strom vom Dach rund um die Uhr zur Verfügung zu stellen. Damit würde der Versorgungsbedarf durch die öffentliche Infrastruktur reduziert. Das passt gut in die Zeit. Denn Netzanbieter rechnen mit einer Verdoppelung des deutschen Strombedarfs bis 2045, die Leitungswege müssen deshalb massiv ausgebaut werden.“
- https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte/klimaschutz/faq-energiewende-2067498
- https://www.bvl.de/presse/meldungen/meldungen-2022/power_of_logistics
- https://www.haufe.de/immobilien/investment/nachhaltig-warum-unternehmen-von-esg-kriterien-profitieren_256_509978.html
- https://www.bvi.de/positionen/infrastruktur/
30 Mio. m²
Dachfläche sind zwischen 2012 und 2022 auf deutschen Logistikimmobilien entstanden