Der E-Commerce war lange vor Corona bereits ein Megatrend. In der Krise hat er nochmal einen enormen Schub bekommen. Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung?
Es ist richtig, dass die Pandemie hier, wie bei einigen anderen Trends auch, als Verstärker gewirkt hat. Allerdings muss man auch beim Onlinehandel differenzieren. Wir sehen, dass gerade qualitativ hochwertige und nachhaltig produzierte Waren aus verschiedensten Branchen Absatzsteigerungen im Onlinehandel von bis zu 40 Prozent erfahren haben. Geschwächelt hat dagegen billig produzierte Massenware, insbesondere im Mode-Bereich. Der Trend zu nachhaltigeren Produkten hat sich bereits vor Corona angebahnt. Bestimmte Teilbereiche des Onlinehandels haben also gewonnen, andere verloren.
Sie haben sich mitten im Lockdown zum spekulativen Baustart eines 60 Millionen Euro schweren Projekts entschieden. Nehmen Sie uns mit auf die Reise, wie diese Entscheidung getroffen wurde.
Wir haben im Juli mit der zweiten Bauphase des Verdion ExpoPark in Hannover begonnen. Das Verteilzentrum liegt direkt an der Messe und umfasst nach geplanter Fertigstellung im Frühsommer nächsten Jahres 46.700 m² Logistik-, Gemeinschafts- und Bürofläche. Im März war das Projekt soweit vorbereitet und alle Genehmigungen lagen vor. Wir standen dann vor der Frage, ob wir wie geplant mit dem spekulativen Bau starten sollten. Wir haben den Markt eine Weile beobachtet und schnell positive Signale bekommen, vor allem aus dem Bereich des Onlinehandels. Auch bei unseren eigenen laufenden Projekten gab es keinerlei Zeitverzögerungen im Bau oder bei der Vermietung, was uns bei der Entscheidung für den Projektstart bestärkt hat. Und letzten Endes war auch das Vertrauen des Investors in den deutschen Logistikmarkt weiter ungetrübt. Deshalb haben wir den Startknopf gedrückt. Die Fertigstellung steht nun im Frühsommer 2021 an.
Sie haben zusätzlich auch über die Grenze nach Dänemark geschaut.
Das ist richtig. Zusammen mit Aviva Investors haben wir uns dort mit dem E20-Park ein 400.000 m² großes Areal südlich von Kopenhagen erworben. Dort entstehen über die nächsten Jahre Logistikgebäude mit einer Fläche von rund 150.000 m². Das ist ein Mammutprojekt für Dänemark. Wir starten dort im Oktober mit den Erdbauarbeiten.
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von Tim-Oliver Frische
Ist der E-Commerce dort auch ein Fokus?
Ja, wir sind bereits in ersten Gesprächen mit Onlinehändlern. Gerade im Ballungsraum Kopenhagen ist die Flächenknappheit immens. Der E20 liegt direkt an der gleichnamigen Autobahn, die Kopenhagen mit Deutschland und Schweden verbindet. Zum Zentrum sind es knapp 30 Kilometer, noch eine gute Schlagdistanz zur Innenstadt. Wir gehen deshalb davon aus, dass sich dort sehr viele Onlinehändler ansiedeln werden.
Die Pandemie hat uns Bedeutung der Logistik noch einmal vor Augen geführt. Sehen Sie den aktuellen Hype als Chance, gerade was das Thema Projektakzeptanz angeht?
Absolut. Es wird an vielen Stellen umgedacht und die Logistik wird nicht mehr grundsätzlich verteufelt. Es besteht die Chance, dass immer mehr Städte und Gemeinden Flächenpläne mit Logistik im Kopf entwickeln. Natürlich gibt es immer noch Bürgerinitiativen und Vorurteile und das teilweise auch gerechtfertigt. Wenn jemand ein Chemielager in einem Schutzgebiet ansiedeln möchte, ist der Gegenwind völlig verständlich. Die große Frage, die uns alle umtreibt, ist: Welche Konzepte sind nachhaltig? Die Frage stellt der Bürgermeister, die Anwohner und wir uns selbst. Als Projektentwickler liefern wir die Grundbausteine für ein nachhaltiges Gebäude mit einer entsprechenden Dämmung oder dem Einbau von Anlagen für die regenerative Energiegewinnung vor Ort, zum Beispiel durch Solarflächen auf dem Dach, und vieles mehr. Am Ende muss aber auch der Betrieb der Immobilie nachhaltig sein. Nehmen wir das Beispiel Emissionen: Ein Standort direkt an der Autobahn ist auch für einen Betreiber viel attraktiver als einer, den man erst durch eine Ortsdurchfahrt erreicht. Weitere Emissionen können durch innovative Flottenkonzepte, wie die Umstellung auf Flüssigerdgas (LNG) bei unserem Mieter HAVI Logistics in Wunsdorf, vermieden werden. Dort haben wir am Standort eine LNG-Tankstelle direkt mitgebaut.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Widerständen gemacht?
Dass man am besten Standorte findet, die keine Widerstände hervorrufen; die so gelegen sind, dass keine Lebensbedingungen verändert werden müssen. Man entwickelt einfach kein Logistikzentrum mitten im Ort, auf der letzten freien Grünfläche oder gar im Naturschutzgebiet. In der Vergangenheit wurde von beiden Seiten manchmal übertrieben. Auch bei Projekten in perfekter Lage geht es immer darum, den Dialog zu suchen. Denn oft sind die Argumente der Bürger gerechtfertigt und man findet gemeinsam ganz schnell eine konstruktive Lösung mit der Gemeinde.
In der Pandemie hat sich auch die Krisenfestigkeit der Logistikimmobilien noch einmal bewiesen. Hat sich das auch auf das Vertrauen der Investoren in die Assetklasse ausgewirkt?
In der Tat hat sich das über viele Jahre gewachsene Vertrauen in die Logistikimmobilie weiter gesteigert. Vor zwanzig Jahren galt die Logistik noch nicht als eigene Assetklasse, mittlerweile ist sie zu einer festen Größe geworden. Diese Entwicklung wurde durch die Pandemie noch einmal erheblich verstärkt. Die Logistik ist der Gewinner unter den Assetklassen, selbst im Vergleich zu Büros. Wir sehen gesteigertes Interesse von Seiten der Investoren auch bei spekulativen Entwicklungen, egal, ob zu Baubeginn oder sogar beim Kauf des Grundstücks. Investoren schwenken aus anderen Assetklassen in die Logistik um.
Wir haben gehört, dass sich eine Transaktion am Verdion Airpark Berlin mit Rekordrendite anbahnt. Können Sie das kommentieren?
Wir können keine Angaben zu Transaktionen anderer Marktteilnehmer machen.
Der Verdion Airpark Berlin umfasst 80.000 m² und als Entwickler wir sind gerade in der Fertigstellung der Gebäude der letzten Bauphase. Alle Immobilien wurden spekulativ errichtet und die Mieternachfrage für den Standort, knapp 30 Minuten von Berlin-Mitte entfernt, war und ist sehr hoch. Ein hoher Verkaufspreis und eine niedrige Rendite würden uns deshalb nicht überraschen. Insgesamt bewegen sich die Logistikrenditen auf ein Level zu, das man in den letzten Jahren nur im Bürosektor gesehen hat. Die Renditekompression betrifft insbesondere Projekte in Ballungsräumen und Corona hat diesen Trend noch einmal verstärkt.
In einer neuen Studie zum Logistikmarkt spricht bulwiengesa vom Anwachsen des Anteils von spekulativen Projekten auf 40 Prozent und von einem jährlichen Flächenbedarf von 6,5 bis 7 Millionen Quadratmetern. Was sagen Sie zu diesen unglaublichen Zahlen?
Das Volumen wird definitiv benötigt und geht einher mit dem Trend zu größeren Gebäuden, insbesondere im Onlinehandel. Realisieren lässt sich das nur, wenn man auch außerhalb der direkten Ballungszentren schaut. Ein Beispiel: DeLaval wollte sich in der Nähe des alten Standorts in Hamburg vergrößern. Der Hersteller von Produkten für die Hofinnenwirtschaft und Milchproduktion hat lange Jahre nach einem passenden Grundstück gesucht und nichts im Stadtgebiet gefunden. Wir haben ihm dann ein maßgeschneidertes Logistikzentrum in Gallin, 60 Kilometer östlich von Hamburg in Mecklenburg-Vorpommern erstellt. Die große Angst war der Mitarbeiterverlust, aber das funktioniert sehr gut mit entsprechendem Konzept. Neben dem obligatorischen Shuttlebus lockt der Standort mit tollem Ambiente in den Büros und auf den Gemeinschaftsflächen, Sportmöglichkeiten vor Ort, Ruheräumen und einer exzellenten Kantine, in der frisch gekocht wird. So war die Ansiedlung auch in der Peripherie möglich.
Neben der Peripherie gibt es ja auch Chancen in der Brownfield-Entwicklung. Wie sind Sie da aufgestellt?
Wir haben dafür einen eigenen Fonds, den VELF 1. Mit 158 Millionen Euro eingesammeltem Eigen- plus rund 50 Prozent Fremdkapital können wir über 310 Millionen Euro in ganz Europa investieren. Anlageziele sind vor allem Bestandsgebäude für die Last-Mile-Logistik in Städten und der Peripherie. Es geht um Brownfields und Immobilien mit Renovierungsbedarf, mit Erweiterungspotenzial auf der Fläche oder auch Abriss und Neubau. Wir sprechen auch von früheren Industrieimmobilien, in denen nicht mehr produziert wird. Die Grundstücke sind dabei durch städtische oder stadtnahe Lagen eher teuer. Wir haben mit VELF 1 beispielsweise für UPS am Flughafen von Prag ein neues europäisches Hauptquartier und Verteilzentrum realisiert.
Was sagen Sie zur Idee leerstehende Kaufhäuser für die städtische Logistik umzunutzen?
Nun, das ist nicht unser Spezialgebiet. Grundsätzlich macht es wenig Sinn, großflächige Logistikimmobilien innerhalb der Städte anzusiedeln. Das würde nicht zur Entspannung des Verkehrsaufkommens beitragen, denn von dort müssten die Pakete weiter ausgeliefert werden. Die Frage ist, ob es überhaupt sinnvoll ist, einzelne Pakete über den Tag verteilt nach Hause geliefert zu bekommen. Die Packstation ist ein erster Schritt, bei der sich der Kunde die Päckchen selbst abholt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das auch in einem alten Kaufhaus funktioniert. Vielleicht mit zusätzlichem Einzelhandels- und Gastronomieangebot auf der Fläche. Testflächen oder Umkleidekabinen vor Ort wären praktisch, damit man die falsche Größe oder Farbe direkt zurücksenden kann. Der Vorteil leerstehender Kaufhäuser ist die bestehende Infrastruktur. Die Gebäude sind sowohl für die Annahme von täglich ankommender Ware als auch den Besuch von Einzelpersonen bei der Abholung ausgelegt. Ich kann mir da attraktive Konzepte vorstellen. Bei der City-Logistik sind Kreativität und viele Einzellösungen gefragt, denn jede Stadt und jeder Stadtteil bringt andere Voraussetzung mit.
Zum Schluss noch mal zum Thema Nachhaltigkeit: Hat sich da beim Bau tatsächlich etwas verändert?
Das kann ich bestätigen. Wir sehen beispielsweise immer öfter, dass Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Projekten bereits in den Bebauungsplänen der Gemeinden auftauchen. Wir entwickeln zum Beispiel gerade ein Forschungszentrum in Weilheim in Oberbayern mit Blick auf die Berge. Dort ist es Pflicht, das Dach zu begrünen oder mit einer Solaranlage auszustatten. Wir realisieren dort eine Mischung und erzeugen vor Ort Strom zur Eigennutzung für den Mieter. Auch der Trend zu Nachhaltigkeitszertifizierungen schreitet weiter voran. Egal, ob DGNB, LEED oder BREEAM, wir haben alle bereits umgesetzt. Zertifizierten Gebäuden gehört die Zukunft – und natürlich wird die höchste Stufe angestrebt.