Es klingt so einfach: Alle Rohstoffe zirkulieren in Kreisläufen. Alles, was wir produzieren, kann wieder genutzt werden. Also vom Ursprung zum Ursprung – „Cradle to Cradle“ (C2C). „Von der Wiege zur Wiege“, wie C2C frei zu übersetzen wäre, beschreibt im übertragenen Sinne die Vision einer abfallfreien Wirtschaft, bei der Unternehmen keine gesundheits- und umweltschädlichen Materialien mehr verwenden und alle Produktions- und Baustoffe als dauerhafte Nährstoffe in einem natürlichen Kreislauf gesehen werden. Weil sich immer mehr Unternehmen der Nachhaltigkeit verpflichten, entsteht auch für die Logistik- und Immobilienbranche ein zunehmender Druck, Objekte in diesem Sinne „future-proof“ zu planen.
Gastbeitrag
Dabei ist die nachhaltigste Immobilie diejenige, die nicht wieder abgerissen werden muss. Der Grund: Abriss und Neubau verbrauchen Energie und Ressourcen. Deshalb treten neben emissionssenkenden Maßnahmen im Betrieb intelligente Konzepte in den Vordergrund, die beim Bau graue Energie einsparen – indem klimaschonende, recycelte oder regenerative Baumaterialien verwendet werden. Ein solcher Ansatz bringt zwar zunächst keine direkten Vorteile, etwa bei den Nebenkosten, also der „zweiten Miete“, doch auch die Bau- und Materialpreise sind zuletzt stark gestiegen. Jede Tonne Stahl oder Beton, die nicht unbedingt teuer und auf langem Lieferweg bezogen werden muss, spart Energie und Transportkosten.
Errichtet auf stillgelegtem Zechengelände
Wie so etwas konkret aussehen kann, ist auf dem Grundstück des Industrieparks „Große Heide Wulfen“ in Dorsten zu betrachten, wo derzeit das grünste Logistikzentrum Deutschlands entsteht – und zwar für die Modemarke Levi Strauss (Levi’s). Es ist deutschlandweit die erste Logistikfläche, die dem Nachhaltigkeitsanspruch C2C vollumfänglich entspricht. Auf dem Boden der ehemaligen Zeche in Wulfen hat Ende März dieses Jahres offiziell der Bau des Fulfillment-Centers begonnen. Bis Ende 2023 soll dort die zentrale Warendrehscheibe für Levi’s in Europa entstehen – es ist ein Leuchtturmprojekt für den Markenhersteller. Der C2C-Ansatz wurde auch deshalb gewählt, weil nachhaltig produzierte Bekleidung und entsprechende Textilien in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Und weil dieser Mentalitätswandel vor den Lieferketten nicht haltmacht, müssen die dahinterstehende Logistik und das neue Distributionszentrum strengeren Anforderungen genügen.
„Positive Footprint Wearhouse“
Rund 70.000 Quadratmeter wird die neue Logistikimmobilie am revitalisierten Bergbaustandort umfassen, die Levi Strauss für 20 Jahre gemietet hat. Bei der Übertragung ihres Nachhaltigkeitsanspruchs in die Logistikpraxis des „Positive Footprint Wearhouse“ konnte auf die Expertise des Architektenbüros Quadrant4 zurückgegriffen werden, Generalunternehmer ist Bremer Bau und Entwickler ist die bei C2C-Projekten führende Delta Development Group, die mit dem Dorstener Projekt ein Zeichen für zukunftsorientiertes Bauen setzen will. Die C2C-Elemente im Einzelnen:
- Es wird ausschließlich mit nachhaltig hergestelltem Beton gebaut.
- Zudem verfügt das Objekt über ein geothermisches Heiz- und Kühlsystem und begrünte Wände und Dächer.
- Darüber hinaus sind Solarpaneele, Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und Ladestationen für Elektrofahrzeuge geplant.
- Ebenso soll ein Park auf dem Gelände entstehen, der später auch der Allgemeinheit zur Verfügung stehen soll.
- Fortschrittliche Recyclinganlagen für die Müllentsorgung runden das Konzept ab.
- Angestrebt wird die DGNB-Zertifizierung in Gold – als klimapositives Gebäude.
Ganz im Sinne des C2C-Ansatzes werden jegliche Baumaterialien des neuen Zentrums auf Wiederverwertung ausgelegt und in einer Materialdatenbank erfasst. Am Ende der Nutzungsperiode ermöglicht eine spezielle architektonische Verwendung die problemlose Trennung nach Materialtyp. Um die Luftqualität der Innenräume konstant auf einem hohen Niveau zu halten, werden ausschließlich schadstoffarme Materialien verwendet.
Langfristig gewinnbringend
Das Fulfillment-Center von Levi’s beweist, dass es vorteilhaft ist, sich nicht allein auf die offensichtlichen ökologischen Aspekte der Nachhaltigkeit zu beschränken, die für direkte Kosteneinsparungen sorgen. C2C-Konzepte sollten umfassender und als langfristig gewinnbringende Erweiterung der herkömmlichen Bemühungen um Nachhaltigkeit umgesetzt werden. Denn auch die scheinbar „weicheren“, sozial relevanten Faktoren der Nachhaltigkeit können bewirken, dass Industrie und Handel sowie die dazugehörigen Logistikdienstleister wichtige Alleinstellungsmerkmale am Standort herausbilden. Darüber hinaus gewinnen ESG-Faktoren auch jenseits der ökologischen Nachhaltigkeit an Bedeutung.
So garantieren bei dem Dorstener Projekt neben dem C2C-Ansatz auf der bautechnischen Seite sogenannte Human-centered Designs Nachhaltigkeit für die Menschen vor Ort: Das Zentrum ist auf sozialen Austausch und Inspiration ausgelegt und mit zahlreichen Gemeinschafts- und Grünflächen ausgestattet. Grün ist der Firmenstandort dabei sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne: Neben den Grünflächen im Außenbereich verfügt die Immobilie über einen Dachgarten, der sowohl zur Aufrechterhaltung der Biodiversität als auch als Sammelstelle und Kläranlage des gebäudeinternen Wasserkreislaufs eingesetzt wird. Durch den Einsatz erneuerbarer Energiequellen kann das Zentrum einen Großteil seines Energiebedarfs selbst decken. „LEED“- und „WELL“-Zertifizierungen untermauern den Nachhaltigkeitscharakter des Gebäudes zusätzlich.