Mit ihrer Einschätzung steht Natalie Weber nicht alleine da: „Der Bedarf an Lagerflächen ist hoch“, sagt Ralph Holeschovsky von der OFB Projektentwicklung in Erfurt. Problematisch sei bei der hohen Nachfrage aber das gleichzeitig geringe Flächenangebot, bestätigt er. „Und dies trifft insbesondere auf die Ballungsräume zu“, weiß Verdion-Chef André Banschus. Folgerichtig rückten Logistikregionen außerhalb der Top-Standorte in den Fokus. „Und hier sind Kommunen eher gewillt, auch noch Baurecht auszusprechen“, beobachtet Holeschovsky und fügt hinzu: „Meine Erfahrung ist: Kommunen sprechen nur noch ungern Baurecht für Logistikimmobilien aus.“ Insbesondere der damit verbundene LKW-Verkehr, die geringe Anzahl von neuen Arbeitsplätzen und der hohe Flächenverbrauch würden hier sehr negativ bewertet. Die Einsicht, dass Logistikimmobilien für die Versorgung der Bevölkerung elementar sind, brauche „auf kommunaler Ebene noch Zeit“. Auch die Beschlüsse zu B-Planverfahren seien durch eine Corona-bedingte Verschiebung „gestört“, führt Holeschovsky weiter aus.
Störungsfrei hingegen liefe in der Krise die Bearbeitung von Bauanträgen. „Beispiel Industrie- und Gewerbegebiet Erfurter Kreuz: Hier hat das Landratsamt des Ilm-Kreises den Bauantrag für eine Logistikimmobilie mit 20.000 m² in sechseinhalb Wochen positiv beschieden“, lobt der Entwickler. Nutzer sei hier Dachser. Das betreffende Projekt liegt direkt am Autobahnkreuz der A4 und der A71. Die nächste Stadt ist die Kreisstadt Arnstadt. „Man kann den Standort im Vergleich zu Regionen wie Rhein-Main, Rhein-Ruhr, Hamburg oder München definitiv zu den ländlichen Logistikregionen zählen“, ordnet der Entwickler ein.
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von Tim-Oliver Frische
Für Banschus wirke die Coronapandemie auch bei dem bereits vorher zu beobachtenden Ausweichen in die ländlichen Logistikregionen als „Trendverstärker“. In der Krise gewänne gerade der Onlinehandel, der sich zwar gerne in Ballungsräumen ansiedeln würde, dort aber keine geeignet großen Flächen für seine Distributionszentren findet.
Banschus nennt ein Beispiel von vor der Krise: Der Melktechnikhersteller Delaval sei lange auf der Suche nach einem geeigneten Grundstück für ein neues europäisches Verteilzentrum am angestammten Standort in Hamburg gewesen. „Doch es gab schlicht und ergreifend keine geeignete Fläche innerhalb der Hansestadt. Wir haben am Ende eine Lösung im mecklenburgischen Gallin, 60 km östlich von Hamburg, für Delaval geschaffen. Die Region ist ländlich geprägt und gleichzeitig schon lange ein starker Logistikstandort.“
Für die Zukunft habe sich Verdion weitere Flächen in ländlichen Logistikregionen gesichert, „um die steigende Nachfrage nach großflächigen Entwicklungen bedienen zu können“. Im Verdion Intermodal Park in Papenburg hält das Unternehmen an der deutsch-niederländischen Grenze ein 1 Mio. m² großes Areal für die Entwicklung von Industrie- und Logistikflächen vor. Die nächste Großstadt (Bremen) ist mehr als 100 km entfernt. Dafür liegt der Standort am Güterverkehrszentrum Emsland – mit direkter Anbindung an das Schienen- und Fernverkehrsnetz sowie zwei Schifffahrtskanälen mit Verbindung zu niederländischen und deutschen Tiefwasserhäfen.
„Deutschland ist nahezu flächendeckend ein Logistikland“, sagt Natalie Weber. „Peripherere Standorte können daher auch sehr attraktiv für Logistik sein. Es kommt dabei vor allem auf die Verkehrsverbindung und Zukunftsperspektiven an“, betont sie.
1.000.000 m²
Quadratmeter hält Verdion, ein europaweit tätiger Logistikspezialist, für die Entwicklung von Industrie- und Logistikflächen in Papenburg vor.
Quelle: Verdion
Einschätzung von Patrik Völtz, Studienleiter bei bulwiengesa
„Nicht nur in den etablierten Logistikregionen, oftmals im Einzugsgebiet der städtischen Ballungsräume gelegen, sondern auch in den peripheren Regionen der Bundesländer ist Leben. Trotz des geringeren Bekanntheitsgrades einiger dieser Standorte sind die dort stattfindenden Entwicklungsaktivitäten mehr als erwähnenswert und zeigen die Tendenz auf: Es wird immer mehr abseits der Top-Logistikregionen gebaut.
Der Anteil der neu errichteten Logistikflächen lag in den etablierten Logistikregionen im Zeitraum von 2015 bis 2019 bei 75,8 Prozent des gesamten Fertigstellungsvolumens. Im Vergleich zum vorherigen Betrachtungszeitraum (2014 bis 2018) bedeutet dies einen abermals leichten Rückgang von vormals 77,4 Prozent. Noch prägnanter wird diese Entwicklung, wenn man weiter in die Vergangenheit schaut: Im Betrachtungszeitraum 2011 bis 2015 wurden noch rund 81 Prozent der Flächen an Standorten abseits der Logistikregionen realisiert. Für 2020 gehen wir davon aus, dass weniger als 70 Prozent innerhalb von Logistikregionen und damit mehr als 30 Prozent außerhalb dieser etablierten Lagen realisiert werden wird.
Unter den peripheren Regionen der Bundesländer werden die höchsten Fertigstellungsvolumina in Baden-Württemberg und Bayern beobachtet. Der Charakter dieser Standorte lässt sich in den meisten Fällen als ländlich beschreiben. Mit einer fertiggestellten Logistikfläche von rund 1,4 Mio. m² in Bayern und 1,2 Mio. m² in Baden-Württemberg bewegt man sich in auf einem ähnlichen Niveau des Neubauvolumens von Logistikregionen wie Berlin oder Düsseldorf. Hohe Flächenneuzugänge sind ebenso in den peripheren Regionen Niedersachsens und Nordrhein-Westfalen festzustellen. Aber auch unter Bundesländern mit einer flächenmäßig kleineren Ausdehnung wie etwa Rheinland-Pfalz.
Bei den Top-5-Logistikregionen (Frankfurt-Rhein/Main, Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Rhein-Ruhr) ist zu beobachten, dass deren Fertigstellungsvolumen im Zeitraum von 2015 bis 2019 zwar noch einen Anteil von 28 Prozent der gesamten realisierten Neubaulogistikfläche in Deutschland einnahm. Die Fokussierung auf die Spitzenregionen hat jedoch in den letzten Jahren aufgrund der dortigen Flächenknappheit stetig abgenommen. Nunmehr liegt dieser Anteil im Gesamtjahr 2020 bei weniger als 23 Prozent.“