Zwei Themen haben, insbesondere in den letzten beiden Jahren, die Logistikimmobilienwirtschaft beherrscht. Erstens, die seit Ausbruch der Corona-Pandemie, eklatant hervorgetretene Relevanz von Logistik und zweitens der steigende Druck hin zur erhöhten Nachhaltigkeit in der Logistik.
Dass beide Themen zur gleichen Zeit aufkommen, macht die Lage besonders interessant. Auf der einen Seite gibt es inzwischen ein allgemein anerkanntes Verständnis dafür, dass die Logistik eine wichtige Basis für das Funktionieren unserer Wirtschaft und Gesellschaft darstellt. Auf der anderen Seite wird uns der hohe Ressourcenverbrauch und Emissionsausstoß dieses Wirtschaftszweiges bewusst. Um das Ziel der Klimaneutralität in Europa zu erreichen, müssen wir auch im Bereich der Logistikimmobilienwirtschaft Maßnahmen ergreifen. Die einfache Formel von weniger Logistik gleich weniger Emissionen ist hier jedoch nicht einfach durchführbar. Wir haben gemerkt, dass wir die Logistik mehr denn je benötigen. Vielmehr als eine Reduktion ist eine Veränderung der Logistik nötig, um die Klimaziele zu erreichen. Dies kann auf vielen Ebenen passieren: Effizientere Ausgestaltung der Lieferketten, Elektromobilität der Fahrzeugflotten, und eben auch die Steigerung der ökologischen Nachhaltigkeit der Logistikimmobilien. In diesem Bereich hat sich bereits einiges getan. Wer hätte vor zwanzig Jahren gedacht, dass Projektentwickler von „schnöden“, mit Sandwichelementen erbauten Logistikimmobilien damit werben, dass auf dem Projektgelände auch Bienenhotels entstehen? Somit ist bereits ein allgemeines Umdenken zu erkennen.
Gastbeitrag
Herausforderung EU-Taxonomie
In unserer täglichen Arbeit als unabhängige Analysten und Berater für Logistikimmobilien bemerken wir, dass insbesondere die EU-Taxonomie derzeit eine große Herausforderung auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft darstellt. Für viele Bestandshalter von alten Logistikimmobilien spielt im besonderen Maße die Datenverfügbarkeit für den Immobilienbestand eine große Rolle. Die Bestandteile der verbauten Materialien, Altlastenhistorien und Verbräuche sind nicht immer so leicht zugänglich. Hier findet zurzeit erst einmal das Aufarbeiten dieser fehlenden Informationen statt. Im zweiten Schritt gilt es eventuell die Immobilien mit einer Bestandszertifizierung auszeichnen zu lassen. Für die Zertifizierung müssen zunächst die Kriterien erfüllt sein, was bedeutet, dass die Immobilie meistens energetisch nachgerüstet werden muss. All dies ist ein langer Weg, der abgeschritten werden muss, um voranzukommen. Ein eindeutiger Kompass liegt noch nicht vor, sodass in dieser Phase der Umsetzung der EU-Taxonomie noch Konzepte entworfen und ausprobiert werden müssen.
Brownfields verhindern Neuversiegelungen
Ein wichtiger Teil auf dem Weg zur Nachhaltigkeit in der Logistikimmobilienwirtschaft ist auch die Nutzung von bereits versiegelten Flächen, um eine Neuversiegelung zu verhindern. Hier lässt sich seit zehn Jahren eine kontinuierliche Steigerung der Brownfieldflächen feststellen. Für das laufende Jahr wird ein Brownfieldanteil von 39 Prozent am Gesamtfertigstellungsvolumen erwartet. Dies stellt einen neuen Rekord dar und ist ein Beweis dafür, dass der gesteigerten Flächennachfrage auf nachhaltigem Wege begegnet werden kann. Das Ruhrgebiet als Altindustriegebiet ist aufgrund seiner Historie für Brownfieldentwicklungen prädestiniert und auch in der Region Rhein-Main/Frankfurt lassen sich bereits einige Brownfieldprojekte ausmachen. Das Potenzial für solche Projekte ist jedoch auch sicherlich abseits solcher etablierten Industriestandorte vorhanden. Wichtig zur Umsetzung oder überhaupt für die Ingangsetzung solcher Projekte ist es jedoch, sich zunächst einen Überblick der Flächenpotenziale zu schaffen und im weiteren Zuge die planungsrechtlichen Verfahren hinsichtlich solch anspruchsvollen Projekte zu überarbeiten. Hier besteht sicherlich noch Potenzial, was genutzt werden sollte.
„Vielmehr als eine Reduktion ist eine Veränderung der Logistik nötig, um die Klimaziele zu erreichen.“
Patrik Völtz
Senior Consultant Bulwiengesa AGAusblick auf 2022
Auch in diesem Jahr werden wir wahrscheinlich wieder einen neuen Rekord an Fertigstellungen von Logistikimmobilien verzeichnen. Nach aktuellem Stand erscheint eine Neubauvolumen von rund 6,6 Millionen Quadratmeter als realistisch. Weiterhin gehen wir von einer Steigerung der Spitzenmieten für Logistikflächen aus. Insbesondere Berlin ist in der dargestellten Kategorie (siehe Abbildung) der Top-Regionen als Treiber für den Anstieg verantwortlich. Hier macht das vormals noch relativ geringe Niveau noch größere Zuwächse möglich, wohingegen in München der prozentuale Zuwachs recht konstant bleibt. Aber auch die Second-Tier-Regionen sind gefragter denn je. Auch hier werden die Mieten im Jahr 2022 voraussichtlich stärker ansteigen als in den peripheren Regionen. In den letzten 2 bis 3 Jahren ist auch in den Second-Tier Regionen ein deutlicher Anstieg an spekulative Entwicklungen zu beobachten.
Die derzeitige Marktsituation ist geprägt von Um- und Aufbrüchen. Neue, innovative Konzepte müssen her. Sei es für die Distribution der Urbanen Logistik, die verbesserte Nutzung von Brownfields oder die Senkung des Verbrauchs der Logistikimmobilie. Die Logistik hat sich während der Pandemie und auch während der Haverie der Ever Given als flexibel und resilient erwiesen. Es wird wahrscheinlich nicht ein großes Konzept geben, vielmehr wird es viele kleine Lösungen geben, die alle ineinander spielen, um dem großen Ziel der Klimaneutralität näher zu kommen.