Zinsschritte der Europäischen Zentralbank, steigende Baukosten und Unsicherheiten bei der Preisbildung zwischen Käufer und Verkäufer – die Unwägbarkeiten, mit denen Projektentwickler von Logistikimmobilien zurzeit konfrontiert werden, sind groß. Das anspruchsvolle Marktumfeld erschwert es ihnen, Projekte langfristig belastbar zu kalkulieren. Dennoch ist die Nachfrage nach modernen Logistikflächen ungebrochen hoch, gerade jetzt kann es sich lohnen, neue Hallen an zukunftsfähigen Standorten zu errichten. Wie agieren Immobilienentwickler in diesem Spannungsfeld?
Alles dreht sich um Flexibilität
Im derzeitigen Marktumfeld hat jeder Logistikentwickler seine eigene Strategie, um den Herausforderungen gerecht zu werden. Dennoch sollte diese Strategie auch immer wieder hinterfragt und angepasst werden. Die Veränderungen der Marktverhältnisse sind schnell getaktet, weshalb Projektentwickler flexibel sein müssen – nur so können sie auf aktuelle Entwicklungen reagieren.
Gastbeitrag
und Mirko Langner, Projektentwickler Logistik
Wer unter dem Druck steht, Immobilien schnellstmöglich am Markt platzieren zu müssen, dem fehlt der nötige Handlungsspielraum: Solche Transaktionen unterliegen aus Perspektive der Verkäufer derzeit äußerst ungünstigen Bedingungen. Projektentwickler, die in der Vergangenheit Inhouse-Kompetenz in der Bestandshaltung aufgebaut haben, stehen deshalb oft besser da. Innerhalb des Unternehmens können sie auf Strukturen zurückgreifen, die mit dem Asset- und Property-Management vertraut sind sowie über den Zugang zu langfristigen Krediten für die Anschlussfinanzierung verfügen. Damit halten sie sich mehrere Optionen offen, da sie Projekte nachfinanzieren und auch länger im Bestand halten können.
Ein Richtig oder Falsch gibt es bei der Frage nach erweiterter Inhouse-Kompetenz für Projektentwickler indes nicht: Die Wahl, sich ganz auf ihr ursprüngliches Geschäft zu fokussieren, kann durchaus nachvollziehbar sein – denn der Ausbau solcher Strukturen erfordert Zeit und Ressourcen. Aus Entwicklersicht kann es auch vernünftig sein, bestehende Projekte abzuschließen, zu veräußern und einige Zeit lang keine neuen Immobilien zu entwickeln. Eine weitere Variante ist es, die Projektentwicklung als Dienstleistung für Eigennutzer zu erbringen.
Die gegenwärtige Abwarte-Haltung angesichts der fehlenden Planungssicherheit könnte jedoch schneller vorbei sein, als es viele Marktteilnehmer erwarten würden: Sobald sich eine eindeutige Linie bei der Zinsentwicklung abzeichnet und zudem die Zinsniveaus idealerweise wieder rückläufig sind, beginnt das Wettrennen. Ist die notwendige Stabilität für die Kalkulationen gegeben, können sich diejenigen, die über ausreichend Kapazitäten und Finanzkraft verfügen, rasch einkaufen. Doch wann es soweit ist, kann aktuell nicht zuverlässig prognostiziert werden.
Eigenkapital ist nicht zwingend ein Freifahrtschein
Die marktbezogenen Bedingungen sind zwar für die meisten Logistikimmobilienentwickler gleich, doch einige scheinen es leichter zu haben: Dass die Kaufpreisfaktoren zurückgehen, sieht nach einer optimalen Situation für eigenkapitalstarke Akteure aus – aber auch deren Pläne werden von der unsicheren Kalkulationslage überschattet. Beispielsweise lässt sich die Miete bei Logistikobjekten gut einschätzen, die Schwankungen sind gering. Aufgrund des enormen Nachfrageüberhangs bringen moderne Immobilien in Autobahnnähe sicherlich stabile Erträge. Doch die Mietpreise für Logistikobjekte sind in den vergangenen Monaten nicht so stark gestiegen, als dass sie andere Störfaktoren ausgleichen könnten.
Das kann eine Kalkulation aus dem Gleichgewicht bringen, auch wenn Projekte mit einem hohen Eigenkapitalanteil finanziert werden. Zudem bleibt das große Fragezeichen bei einer Exit-Strategie bestehen. Eigenkapital ist im aktuellen Marktumfeld vor allem in der Hinsicht ein Vorteil, da Banken bei Finanzierungsvorhaben zögern.
Angebote genau unter die Lupe nehmen
In diesem anspruchsvollen Marktumfeld zahlt sich Vielfalt gleich doppelt aus: Ein Mix aus Logistik und beispielsweise Büro- und Wohnobjekten verteilt den Druck auf mehrere Stützen. Das wiederum bietet zusätzliche Stabilität im Logistiksegment. Projektentwickler, die nicht ausschließlich auf eine Assetklasse setzen, haben somit mehr Handlungsspielraum als die „Pure Player“, die ausschließlich auf Logistik spezialisiert sind. Darüber hinaus entscheidet die Wertschöpfung über die Erfolgsaussichten: Wer aktiv Werte steigert, hat weiterhin die Chance, mit selektiven Zukäufen wirtschaftliche Projekte in die Wege zu leiten.
Sicherlich unterstützt es Projektentwickler zusätzlich, wenn innerhalb der Firmenstrukturen viele Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund zusammenkommen und ein unternehmerischer Geist herrscht. Neue Perspektiven zeigen neue Lösungswege auf. Daneben sind eine schnelle Entschlussfähigkeit und die Fähigkeit, präzise Entscheidungen zu treffen, zwei weitere Vorteile. Insbesondere in puncto Flexibilität haben mittelständische Unternehmen oft die Nase vorn: Da sie meist ohne einen schwerfälligen Organisations-Apparat daherkommen, können sie weiterhin ausgewählte Projekte realisieren.
Unabhängig davon, wie ein Logistikentwickler organisiert ist, lautet die derzeitige Devise „Prüfen, prüfen, prüfen“. Innerhalb eines Jahres hat der Markt nahezu eine 180-Grad-Drehung hingelegt. Nur die Projektentwickler, die Grundstücks- und Investmentangebote genauestens unter die Lupe nehmen, erkennen marktfähige Angebote: Denn nicht alle Akteure haben ihre Preisvorstellungen den veränderten Bedingungen angepasst. Es ist derzeit kein Einzelfall, dass überteuerte Grundstücke auf den Markt kommen und nach wenigen Monaten mit einem Preisnachlass von 30 bis 40 Prozent bei den Einstandskosten angeboten werden. Durch solche Verschiebungen steigt selbstredend der Aufwand bei der Ankaufsprüfung – doch mit einer sorgfältigen Analyse identifizieren Logistikentwickler weiterhin marktfähige Angebote. Dann heißt es schnell sein: Projektentwickler, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort zukaufen, realisieren auch unter den aktuellen Marktbedingungen erfolgreiche Projekte.